Fachgremium fordert: Schafft endlich den BMI ab!

Um zu definieren, ob ein Mensch ein gesundheitsgefährdendes Gewicht auf die Waage bringt, gilt der Body-Mass-Index (BMI) als Maßeinheit. Vielleicht nicht mehr lange. Eine internationale Kommission schlägt ein Umdenken vor.

Jan 16, 2025 - 16:23
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Fachgremium fordert: Schafft endlich den BMI ab!

Um zu definieren, ob ein Mensch ein gesundheitsgefährdendes Gewicht auf die Waage bringt, gilt der Body-Mass-Index (BMI) als Maßeinheit. Vielleicht nicht mehr lange. Eine internationale Kommission schlägt ein Umdenken vor.

Ob ein Mensch als untergewichtig oder als als krankhaft fettleibig gilt und ob das Gewicht ein gesundheitliches Risiko bedeutet, wird an Kennzahlen, wie dem Body-Mass-Index, BMI, festgemacht. Um ihn zu ermitteln, setzt man Körpergröße und -gewicht einer Person ins Verhältnis. Er zeigt also nur an, ob jemand für seine Größe relativ leicht oder schwer ist – mehr nicht.

"Wissenschaftlich gesehen, war der BMI immer eine sehr krude Messgröße, um Krankheitsrisiken zu charakterisieren", erklärt Prof. Dr. Manfred Müller, Seniorprofessor am Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde der Universität Kiel, gegenüber Medscape. Nun hat ein Gremium aus 58 Fachleuten verschiedener medizinischer Bereiche im renommierten Fachblatt The Lancet Diabetes & Endocrinology einen neuen Ansatz vorgestellt.

Der BMI ist zu ungenau

Der Body-Mass-Index als alleiniges Kriterium soll ihrer Meinung nach abgeschafft werden, weil er zu ungenau ist und der Komplexität des Problems nicht gerecht wird. Unstrittig ist unter allen Expert:innen, dass Übergewicht ein Gesundheitsrisiko darstellt. Der BMI allein kann jedoch nicht viel über den tatsächlichen Gesundheitszustand aussagen, weil er die Körperzusammensetzung unberücksichtigt lässt. 

So weisen sehr muskulöse Personen einen hohen BMI auf, dabei sind sie weit davon entfernt adipös zu sein. Bei den Olympischen Spielen in Paris machte die Rugby-Spielerin Ilona Maher von sich reden, die genau diesen Punkt medienwirksam thematisierte. Und vor allem ältere Menschen mit nur wenig Muskelmasse und nachlassender Knochendichte können einen nur leicht erhöhten BMI, aber dennoch einen ungesund hohen Körperfettanteil aufweisen.

Der zweite große Kritikpunkt am BMI: Er bildet nicht die Körperfettverteilung ab, gibt also keine Auskunft darüber, wo das Fettgewebe sitzt, an Hüften, Po und Oberschenkeln oder aber im Bauchraum. Das dort befindliche Viszeralfett, das die inneren Organe umgibt, ist besonders gesundheitsschädlich. Doch erst mit dieser Information lassen sich Gesundheitsbewertungen treffen.

Ein Umdenken ist gefordert

Die Kommission schlägt daher vor, überschüssiges Fettmasse und ihre Verteilung im Körper konkret zu bestimmen. Zum einen sollen objektive Anzeichen eines schlechten Gesundheitszustandes mit in Betracht gezogen werden. Außerdem soll mindestens ein weiterer Wert mit berücksichtigt werden, so zum Beispiel zusätzlich zum BMI entweder die Körpermaße Taillenumfang, Verhältnis Taille-Hüfte (waist-to-hip-ratio) oder Verhältnis Taille-Höhe (waist-to-height-ratio) sowie das tatsächlich gemessene Körperfett. Diese Formeln gibt es also bereits, sie müssten nur offiziell in die Leitlinien aufgenommen werden. 

In der Folge sollte dann zwischen präklinischer und klinischer Adipositas unterschieden werden. Im präklinischen Stadium liegt zwar ein messbares Übergewicht vor, aber ohne, dass die Person damit verbundene Gesundheitsprobleme hat. Dagegen gelte erst die klinische Adipositas als fortgeschrittene chronische Erkrankung mit einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen. 

In die Reihe der geeigneten Messformeln gehört auch der BRI, der Body-Roundness-Index, der die risikohafte Fettverteilung um die Bauchmitte herum mit einbezieht.

Wie berechnet sich der BRI – der Body-Roundness-Index?

In die komplexe Formel fließen die Körpergröße und der Bauchumfang ein, das Gewicht bleibt jedoch unberücksichtigt. Sie lautet:
BRI = 364,2 − 365,5 × √(1 − [Bauchumfang in cm / 2π]² / [0,5 × Körpergröße in cm]²)

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Das Ergebnis der mathematischen Modellrechnung beschreibt die Körperform als Ellipse, die Werte reichen von 1 (sehr schlank) bis 20 (sehr rund), je mehr sich das Oval einer Kugelform nähert, desto höher der Rundheitsfaktor – und desto ungesünder.

Rundheitsfaktor hat größere Aussagekraft

Der Viszeralfettanteil ist als Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen, Stoffwechselstörungen und Krebs vielfach wissenschaftlich belegt. Mit dem Body-Roundness-Index BRI, der genau dieses Viszeralfett aufdeckt, lassen sich Krankheitsgefahren daher besonders gut abschätzen, weit besser als mit dem BMI.

Entwickelt wurde der BRI als Kennzahl für die Körperrundheit schon im Jahr 2013 von der Mathematikerin Prof. Diana M. Thomas und ihrem Team am Center for Quantitative Obesity Research der Montclair State University New Jersey. Mittlerweile bestätigen verschiedene Studien ihren Nutzen. So zeigen Daten von der Beijing University of Chinese Medicine in Peking, China, dass Menschen mit sehr niedrigem und einem sehr hohem BRI jeweils ein erhöhtes Sterberisiko hätten. Und auch der Zusammenhang mit einem hohen BRI und der Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen ließ sich durch eine Studie an der Nanjing Medical University in Wuxi, China, nachweisen.

Besondere Brisanz für Frauen nach der Menopause

Durch die hormonelle Umstellung in den Wechseljahren verändert sich bei Frauen die Körperfettverteilung von typisch weiblich (Birnenform) zu einer eher männlichen Körperform (Apfelform) und es bildet sich eher ein Bäuchlein (lies mehr dazu im Artikel Wechseljahre und Bauchfett). Der Rundheitsfaktor wird dann als Warnsignal noch einmal relevanter, weil mit dem natürlichen Abfall des Östrogenspiegels auch der herzschützende Effekt des weiblichen Sexualhormons nachlässt. 
 

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