Moderatorin Anna Dushime : Anna Dushime: "Das ist etwas, was Menschen draufhaben, die Krieg erlebt haben"
Anna Dushime verrät uns, warum Humor verbindet – und warum sich alte weiße Männer wie Thomas Gottschalk von Frauen in der Unterhaltungsbranche bedroht fühlen.
Anna Dushime verrät uns, warum Humor verbindet – und warum sich alte weiße Männer wie Thomas Gottschalk von Frauen in der Unterhaltungsbranche bedroht fühlen.
In der neuen ZDFneo-Show "Browser Ballett Heimatquiz" stellt Moderatorin und Journalistin Anna Dushime zusammen mit ihrem Kollegen Schlecky Silberstein ihren Kandidat:innen Fragen, die Deutschland bewegen. Was beim neuen Quizformat nicht fehlen darf? Eine Prise Satire und ein Augenzwinkern. Humor sei schon immer ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens gewesen, so Dushime im BRIGITTE-Interview. Kein Wunder also, dass die Moderatorin darüber auch Zugang zu ernsten Themen findet.
Anna Dushime im BRIGITTE-Interview
BRIGITTE: Sie haben sich in der Humor- und Satirelandschaft einen Namen gemacht, eine Branche, die – wie viele andere – von weißen Männern dominiert wird. Was denken Sie über die deutsche Comedy-Welt?
Anna Dushime: Ich glaube, dass in der deutschen Comedy-Landschaft auf jeden Fall noch sehr viel Raum ist für mehr Geschichten und mehr Perspektiven. Ich persönlich liebe es, über einen humorvollen Zugang mehr über andere Menschen zu erfahren – insbesondere über die, mit denen man sonst vielleicht nicht so viele Berührungspunkte hätte. Wenn allerdings immer wieder die gleichen Geschichten erzählt werden, dann fehlen Perspektiven. Ich appelliere, offen für Neues zu sein.
Glauben Sie denn, dass man mit Satire und Comedy auch ernsthafte Themen transportieren kann?
Absolut. Es gibt viele verschiedene Wege, eine Information zu vermitteln und alle haben ihre Daseinsberechtigung. Ich bin aber Fan davon, das über Humor zu machen, weil ich so aufgewachsen bin. Meine Mutter hat mir das so vorgelebt. Sie hat schon immer einen Weg gefunden, einen Witz zu machen – auch unter den tragischsten Umständen. Natürlich ohne die Situation herunterzuspielen, sondern eher als Möglichkeit, damit umzugehen.
Gelacht wird in Deutschland oft immer noch über marginalisierte Personengruppen. Finden Sie, dass Satire sensibel genug dabei ist? Oder muss sie das vielleicht gar nicht sein, weil sie eine Kunstform ist?
Ich will mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen, was Kolleg:innen machen. Ich persönlich verstehe Satire jedoch als Mittel, uns gesellschaftlich zusammenzuschweißen, weil wir damit auf Missstände schauen können – und nicht als etwas, das uns spalten sollte.
Aber es werden häufig Witze gemacht, die Personengruppen ausschließen.
Manche verstecken sich hinter dem Satirebegriff, weil sie dadurch Aussagen tätigen können – oder das zumindest glauben –, die sie sonst nicht so ohne Weiteres bringen könnten. Ich versuche immer, nicht nach unten zu treten, und marginalisierte Menschen nicht noch weiter zu bedrängen mit Witzen, über die dann die gesamte Gesellschaft lacht. Das ist für mich nicht der Sinn von Satire. Satire zeigt Missstände auf und arbeitet mit Zuspitzungen, die aber einen faktischen Unterboden haben.
Warum ist die Branche so wenig divers, und warum gibt es viel weniger Frauen als Männer, die Comedy machen? Sind Frauen einfach weniger lustig?
Ich glaube, dass viele Menschen, die jahrzehntelang das Privileg hatten, immer alle Bühnen besetzen zu dürfen, nicht damit klarkommen, dass der Tisch jetzt immer größer wird. Sie versuchen, die Räume künstlich zu schützen, weil sie Angst haben, dass sie sonst keinen Platz mehr darin haben. Dabei ist genug Raum für uns alle da. Mehr Geschichten, mehr Perspektiven. Ich empfinde das als Bereicherung.
Andere wohl nicht.
Insbesondere alte weiße Männer fürchten einen kulturellen Bedeutungsverlust. Der Prozess ist aber unumkehrbar. Heißt: Ich glaube nicht, dass man jetzt all die Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und die LGBTQIA+ Community wieder an die Orte zurückdrängen kann, von denen sie kamen. Ich wünsche den Herren auf jeden Fall viel Durchhaltevermögen.
Thomas Gottschalk hat sich im Zuge seiner Buch-Promo darüber beschwert, dass man jetzt ja gar nichts mehr sagen dürfe. Stimmt das?
Wenn so eine Aussage von einem Mann kommt, der einen Bestseller geschrieben hat und in der größten deutschen Zeitung ein mehrseitiges Interview gibt, dann denke ich mir nur "Merkt er die Ironie daran nicht?". Natürlich dürft ihr alles sagen, ihr habt weiterhin die größten Plattformen, nur gibt es jetzt etwas mehr Gegenwind, und das passt nicht in eure Köpfe. Wir anderen, die dieses Privileg nicht haben oder hatten, wissen, wie es ist, sich behaupten zu müssen. Deshalb ist das für uns nichts Neues. Ich will es nicht infantilisieren, aber ich finde dieses reflexhafte "Man darf ja nichts mehr sagen" fast schon niedlich.
Über die öffentliche Empörung habe ich mich gewundert. Ich habe nichts anderes erwartet. Meine Erwartungshaltung gegenüber Thomas Gottschalk ist niedrig.
Als in Ihrer Heimat Ruanda ein Genozid tobte, waren Sie noch ein Kind. Mit zehn sind Sie dann nach Deutschland gekommen. Inwiefern haben die schrecklichen Ereignisse Sie geprägt?
Das kann ich nicht richtig sagen, weil ich ja nicht weiß, wie es gewesen wäre, wenn der Genozid nicht passiert wäre. Aber ich weiß auf jeden Fall, dass dieses "ich finde auch an den tragischsten Situationen noch etwas Humorvolles", etwas ist, was viele Ruander draufhaben, was viele Tutsis draufhaben, was viele Leute draufhaben, die Krieg und Trauma erlebt haben. Das hat auch meine Persönlichkeit geprägt.
Sie sagten vorhin, dass Ihre Mutter Ihnen viel mit auf den Weg gegeben hätte. Was zum Beispiel?
Ich bin super dankbar dafür, dass sie mir gewisse Dinge vorgelebt hat, die für mich heute so normal sind, dass sie nicht mal mehr einer Diskussion bedürfen. Dass Männer und Frauen gleich sind etwa, ist für mich nichts Verhandelbares. Und so bin ich immer wieder verwundert, wie rückständig unsere Diskurse noch sind. Dass die Gewalt gegenüber Frauen weltweit – auch in Deutschland – zunimmt, und wie sehr das normalisiert wird. Obwohl wir so viele Fortschritte gemacht haben, machen wir jetzt wieder Rückschritte. Das stimmt mich oft echt pessimistisch. Doch ich versuche, an die Resilienz des Menschen zu glauben – insbesondere der Frauen und anderer marginalisierter Gruppen – und denke, dass sie uns zum Licht führen werden.
Zu sehen sind die sechs Ausgaben "Browser Ballett Heimatquiz" ab Donnerstag, 24. Oktober 2024 in der ZDF Mediathek und ab Donnerstag, 24. Oktober 2024, 23.00 Uhr, in ZDFneo.
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