Das Leben nach dem Narzissten: "Als hätte ich genau diese Krise gebraucht"
Judka Strittmatter verließ ihren Partner für einen "Prinzen", der sich als Narzisst entpuppte. Die Beziehung hat sie geschreddert – und doch stärker gemacht.

Judka Strittmatter verließ ihren Partner für einen "Prinzen", der sich als Narzisst entpuppte. Die Beziehung hat sie geschreddert – und doch stärker gemacht.
Ein Prinz aus dem Nichts
Verliebt zu sein ist der schönste und verrückteste Aggregatzustand der menschlichen Seele, nicht umsonst sind unsere Hirne dann denen von psychisch Kranken sehr ähnlich. Noch süßer – und nahezu märchenhaft – aber ist es, sich in einen Narzissten zu verlieben, wenn man nicht weiß, dass er einer ist. Dann erlebt man eine "Liebe", die einen weit über Wolke sieben emporhebt. Bevor sie einen krachend zu Boden fallen lässt. Dort kann man dann die Scherben seiner selbst aufsammeln, falls man dazu noch in der Lage ist. Viele – ich auch – brauchen Therapie danach. Bei mir ist sie schon eine Weile her, Tatsache aber ist: Die Therapie hat mir das Leben gerettet. Und nicht etwa der Mann, von dem ich glaubte, er könnte alle meine Wunden heilen, die ich wegen einer lieblosen Kindheit in mir trug. Und von dem ich dachte, er würde derjenige sein, der das Loch in meinem Herzen endlich stopft, sodass alle Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle ein für allemal Geschichte wären.
Für ihn, der eines Tages in meinem Leben auftauchte, verließ ich einen guten Mann, einen lieben und zuverlässigen. Wesenszüge, die ich sehr schätze, die mir aber früher in einer Beziehung nie reichten. Da musste es auch immer diesen düsteren und unberechenbaren Kitzel geben, der Stress und Streit, aber eben auch hingebungsvolle Versöhnung bedeutete, alles andere erschien mir nicht "leidenschaftlich" genug. Ich war Kampf gewohnt, den kannte ich aus meiner Kindheit. Es mag zwar einleuchtender sein, dass Menschen, die Schlimmes erfahren haben, sich im späteren Leben nur guten Menschen zuwenden – aber oft bleibt das ein Wunschtraum. Oder warum haben manche Frauen einen prügelnden Partner? Meist, weil schon Mutter oder Vater zugehauen haben.
Alles andere als märchenhaft
Mein Prinz, von dem ich dachte, er wäre der Wahre und Einzige, hat zwar nicht zugehauen, aber er hat mich anders fertiggemacht. Nachdem ich ihm anfänglich total verfiel, weil er der beste Lover, der frech-witzigste Kerl und der größte Verwöhner aller Zeiten war, ging es nach einem halben Jahr peu à peu bergab. Immer häufiger wurde ich niedergemacht, verdrehte er die Schuld, immer öfter fand ich mich als heulendes Elend wieder. Fortan lebte ich mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde, in der einen Minute noch gepampert, in der nächsten schon geköpft. Wie oft wollte ich weg von ihm und kam immer wieder zurück.
Sieben Jahre ging das so. Dann ging nicht ich, sondern er. Er sagte, er brauche mal wieder eine fröhliche Frau. Die hatte er auch ganz schnell – und mit ihr ein Kind, während ich als Psycho-Wrack zurückblieb, keineswegs froh, ihn los zu sein, denn ein Teil von mir war längst süchtig nach dem Prinzen in ihm.
Von der Krise in den festen Stand
Heute weiß ich manchmal nicht mehr, wie ich wieder auf die Beine gekommen bin. Ich weiß nur, dass es Jahre dauerte, ich nur in Trippelschritten vorankam und meinem Therapeuten bis an mein Lebensende dankbar sein werde. Mit ihm zusammen schaffte ich es wieder ans Licht. Und mit Kursen zu Selbstmitgefühl. Außerdem brauchte es Zeit, sehr viel Zeit.
Heute ist mein Leben so viel besser, freier, lichter – als hätte es genau diese Krise gebraucht. Ich habe Selbstzweifel und Bedürftigkeiten abgelegt, und nichts wird mich je wieder umhauen können. Inzwischen bin ich zutiefst überzeugt, dass schlimme Zeiten einen stärken, stählen, besser machen können, ich jedenfalls hatte Glück: Das Liebesloch in meinem Herzen gibt es nicht mehr, ich habe gelernt, mich selbst zu mögen, mir selbst ein Freund zu sein. Und meinem Ex würde ich am liebsten Danke sagen für all den abgrundtiefen Schmerz, den ich mir habe antun lassen.