Sizilien (5) : Grössenwahn in Agrigent
Die archäologischen Stätten von Agrigent südlich des heutigen Stadtkerns von Agrigent gehören zu den eindrucksvollsten archäologischen Fundplätzen auf Sizilien. Die Hochblüte der Stadt, die damals unter dem griechischen Namen Akragas bekannt war, dauerte etwa von der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. bis zum Fall der Stadt im Jahr 406 v. Chr. In der … Sizilien (5) : Grössenwahn in Agrigent weiterlesen →

Die archäologischen Stätten von Agrigent südlich des heutigen Stadtkerns von Agrigent gehören zu den eindrucksvollsten archäologischen Fundplätzen auf Sizilien.
Die Hochblüte der Stadt, die damals unter dem griechischen Namen Akragas bekannt war, dauerte etwa von der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. bis zum Fall der Stadt im Jahr 406 v. Chr. In der kurzen Zeitspanne von rund 200 Jahren erlebte Akragas ein bemerkenswertes Wachstum, erlangte grossen Reichtum und politische Bedeutung… und den tiefen Fall in die Bedeutungslosigkeit.
Die Bronzeskulptur von Igor Mitoraj (2011) „Der gefallene Ikarus“ (auf dem Headerbild) versinnbildlicht den Grössenwahn der Stadt bzw. ihrer Herrscher.
Blick auf den Heratempel

Im Folgenden eine kleine Zeitreise:
Gründung und frühe Entwicklung: Akragas wurde um 582-580 v. Chr. von griechischen Kolonisten aus Gela und Rhodos gegründet und entwickelte sich schnell zu einer der bedeutendsten griechischen Städte in Sizilien und im gesamten Mittelmeerraum.
Herrschaft der Tyrannen: Besonders unter den Tyrannen Phalaris (ca. 570-554 v. Chr.) und Theron (ca. 488-473 v. Chr.) erlebte die Stadt eine Phase bedeutender territorialer Expansion, politischer Stabilität und kultureller Entwicklung. Insbesondere Theron dehnte seinen Machtbereich weiter aus und machte Akragas zur zweitwichtigsten Stadt Siziliens nach Syrakus. Das Gebiet umfasste grosse Teile Westsiziliens. 483 vertrieb er den Herrscher Terillos aus Himera (eine griechische Stadt an der Nordküste Siziliens). Terillos bat die Karthager um Hilfe, die jedoch in der Schlacht bei Himera von einer Allianz griechischer Stadtstaaten unter Theron und seinem Schwiegersohn Gelon, dem Tyrannen von Syrakus, vernichtend geschlagen wurden. Die Karthager verloren ihre gesamte Kriegsflotte, ihren Feldherrn Hamilkar; die Überlebenden gerieten in Sklavenschaft.
Bau prächtiger Tempel: Nach dem Tod Therons und der Vertreibung seines Sohnes wurde Akragas zu einer Demokratie. Der Reichtum der Stadt in dieser Zeit beruhte besonders auf dem Handel. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts wurde die Mehrzahl der Tempel an der Südmauer errichtet, die einem vom Meer aus ankommenden Besucher einen imposanten ersten Eindruck von dem Reichtum der Stadt vermittelten.
U.a. ist der Heraklestempel der älteste Tempel an der südlichen Stadtmauer und stammt noch aus der archaischen Zeit zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. Er ruht auf einem dreistufigen Unterbau.

Trümmer des Tempels sind über das ganze Areal verstreut. Die acht Säulen auf der Südseite wurden 1924 (fehlerhaft) wieder aufgerichtet, der Säulenstummel auf der Nordseite bereits im 19. Jahrhundert.

Die Errichtung des Tempels des Zeus (Olympieion) wurde 480 vor unserer Zeit als grössenwahnsinniges Siegesmonument für die Schlacht von Himera begonnen. Er sollte den Sieg des griechischen Geistes über die Barbaren verherrlichen. Der Tempel wurde auf einem 5 Stufensockel errichtet. Die Grundfläche von 57 x 113 m erzeugte ein Bauwerk der Superlative. Es hätte der drittgrößte griechische Tempel der Antike werden sollen. Die äussere Halle bestand aus 7 × 14 etwa 17 m hohen Pfeilern, denen Halbsäulen vorgesetzt waren, die an ihrem unteren Ende einen Durchmesser von etwa 4 m hatten. Die Pfeiler waren durch eine durchgehende Mauer verbunden. An den Pfeilern waren fast 8 m hohe Figuren von Giganten, sogenannte Telamone oder Karyatiden angebracht, die die Last des Gebälks trugen.

Östlich des Tempels ist noch die Basis des mächtige Opferaltars zu erkennen.

Bei der Eroberung von Akragas durch die Karthager 406 v. Chr. wurde der Tempel, der noch nicht fertiggestellt war, zerstört. Vom einst monumentalen Olympieion sind nur noch die Grundmauern, einige Säulen- und Kapitellreste sowie ein riesiges Trümmerfeld übrig geblieben.
Der Concordia-Tempel, dessen Bezeichnung auf die Zeit des Renaissance-Humanismus zurückgeht. Der Tempel ist der besterhaltene Tempel Siziliens, weil er nach der Christianisierung 597 n. Chr. als Kirche genutzt wurde. 1748 wurde sie profaniert und anschliessend wieder weitgehend in ihren ursprünglichen Zustand zurückverwandelt.

Der letzte Tempel der Reihe ist der Heratempel an der Südostecke des Hochplateaus, auch Tempel der Iuno Lacinia genannt. Es ist jedoch unbekannt, welcher Gottheit der Tempel tatsächlich gewidmet war. 6 × 13 Säulen auf einem vierstufigen Unterbau.

Derselbe Tempel, von Caspar David Friedrich 1828–30 nach einer Vorlage nachgemalt. Zu sehen im Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund. Wunderbar der Sonnenuntergang mit Scirocco und rotem Saharastaub.

Oder etwas weniger kunstvoll, dafür schon ab 4 Euro im Agrigenter Andenkenladen beim Eingang Ost:

Kulturelles Zentrum: Akragas war nicht nur ein politisches und wirtschaftliches Zentrum, sondern auch ein bedeutender Ort der Kultur und Philosophie. Der berühmte Philosoph Empedokles stammte aus dieser Stadt. „Die Menschen von Akragas geniessen den Luxus, als ob sie morgen sterben müssten, errichten aber Bauten, als ob sie ewig leben würden.“ Mit diesem Bonmot soll Empedokles seine Mitbürger beschrieben haben.
Das Ende: Gegen Ende des 5. Jahrhunderts brachen zunehmend Streitigkeiten zwischen den griechischen Städten Siziliens aus. Nach Kriegen zwischen den Städten Selinunt und Segesta riefen die Selinunter Karthago zu Hilfe. 409 v. Chr. wurde Selinunt von den Karthagern (Karthager/Punier: semitische Phönizier aus den Küstengebieten Nordafrikas und Südspaniens), weitgehend zerstört und anschliessend von ihnen besiedelt. Die Karthager drangen weiter auf der Insel vor und eroberten und zerstörten noch im selben Jahr Himera, danach 406 v. Chr. Agrigent und 405 v. Chr. Gela.
Quellen: wiki