Primärfarben und Licht: Wie die re:publica25 zum Strahlen gebracht wurde
Minimales Design mit maximaler Wirkung: Wir haben mit dem Gestalter Norman Palm von fertig design und mit Architekt Max Linnenschmidt darüber gesprochen, wie sie das Erscheinungsbild der diesjährigen re:publica in Licht übersetzt haben. Mit so ...

Minimales Design mit maximaler Wirkung: Wir haben mit dem Gestalter Norman Palm von fertig design und mit Architekt Max Linnenschmidt darüber gesprochen, wie sie das Erscheinungsbild der diesjährigen re:publica in Licht übersetzt haben.
Mit so vielen Interessierten hatte niemand gerechnet. Auch nicht Tanja Haeusler, kreative Leitung der re:publica und Norman Palm von fertig design, dem Berliner Studio, das auch das diesjährige Erscheinungsbild der Konferenz entwickelt hat.
Immer wieder gab es in den Social Media Anfragen, ob es nicht auch mal einen Talk über das re:publica-Design geben könnte. Und so luden die beiden zu einem »Behind the scenes: das Art Department der re:publica« ein. Und die Stühle, Kisten und Fußbodenplätze reichten kaum für alle, die kamen.
Tanja Haeusler erzählte, wie sie als einzige Frau des Gründungsteams der re:publica das Design übernahm, weil sich niemand anderer dafür interessierte. Dass sie keine Designerin sei, aber von Anfang an daran interessiert war, das Gefühl von Internet in die Festivalwelt zu bringen, das lockere und ungezwungene Miteinander, die Debatten – und das Design.
Um das kümmert sich seit 10 Jahren das Berliner Studio fertig design, das auch in diesem Jahr wieder drei Vorschläge zum Festivalthema vorlegte. In diesem Jahr hieß das Generation XYZ und diskutierte, wie man angesichts der Klimakrise und vor allem auch der Bedrohung von Rechts, Generationengräben überwinden kann, »weil die Probleme, vor denen wir stehen, nur gemeinsam gelöst werden können.«
Von Teamsport zu »Friends«
Und es ist beeindruckend, was den Kreativen zu dem Thema eingefallen ist. Abseits von Inspirationsspielchen und Gruppenbrainstorming. Denn so etwas gibt es bei fertig design nicht.
Lieber hält Alexander Winkelmann von fertig design in einem seitenlangen PDF gleich 30 bis 40 Ideen fest, die frei in alle Richtungen gedacht sind, während Norman Palm erst einmal lange überlegt und am Ende am liebsten zur eine Idee vorlegt.
Drei Ideen haben sie Tanja Haeusler schließlich vorgelegt, um das diesjährige Motto grafisch zu interpretieren. Und sich für eine zu entscheiden, kann nicht einfach gewesen sein.
Hätte das Konzept Smells Like Team Spirit die gesamte Konferenz in ein Design im Stil eines Nineties Sportsevent getaucht, eine serifenlastige Typografie, Wimpel und Winkehände inklusive, hat der Entwurf Sitcom das Lebensgefühl »alle unter einem Dach« von »Friends« & Co. zelebriert.
Auch, weil »Friends«, das einst von der Generation X gefeiert wurde, heute bei den nachfolgenden Generationen ein Revival erfährt. Die Idee hätte mit einer Bühnenbespielung wie in einem Sitcom-Studio umgesetzt werden können, mit Serien-Trailern, Laugh-Tracks und alles, was dazu gehört. Was das eher niedrige re:publica Budget allerdings gesprengt hätte.
Minimalistisches Design, maximal leuchtend
Und dann gab es noch den Entwurf Intersections, die sich, leicht transparent, überlagern, die überblendet werden, Schnittstellen zwischen den Generationen ergeben und sie in Mischtönen zusammenführen. Und der letztendlich das Rennen machte.
Liegen das XYZ des Festival-Themas in dem Keyvisual der re:publica25 in satten Farben übereinander, wurde das in diesem Jahr auf ganz eigene Weise auf den Rest der Konferenz übertragen. Im Zentrum: Die Hauptbühne Stage1 und die zahlreichen Nebenbühnen – und eine Installation.
Wie das alles entstanden ist, dafür haben wir mit Norman Palm von fertig design und mit dem Architekten Max Linnenschmidt gesprochen, der das Erscheinungsbild auch in diesem Jahr in den Raum übersetzt hat. Und dabei spielte in diesem Jahr Licht die entscheidende Rolle.
»Zur Nachhaltigkeit gehört auch die Idee«
Max, du bist Architekt und arbeitest bei der Gestaltung der re:publica eng mit fertig design zusammen. Wann kommst du ins Spiel?
Max Linnenschmidt: Sobald ein Entwurf ausgewählt wurde, beginne ich damit, erste Ideen zu entwickeln, wie man das Keyvisual und dessen Grundidee im Raum umsetzen kann. Wir beginnen dann, gemeinsam damit zu spielen, überlegen, was gut zur Idee passt, was gut funktionieren würde und was zu weit davon abweicht. Relativ schnell geht es dann auch in technische Fragen über. Nicht alles, was wir uns ausdenken, kann umgesetzt werden, denn dabei spielen Nachhaltigkeit und Materialverbrauch eine entscheidende Rolle.
Geht es darum, nicht zu viel Material zu benutzen?
Max: Wir versuchen vor allem, unsere Ideen an die Materialien anzupassen, die wir bereits haben. Ein Beispiel sind die weißen Bäckerkisten, die wir seit Jahren auf der re:publica verwenden. Als wir uns entschieden hatten, in diesem Jahr vor allem mit Licht und Projektionen zu arbeiten, war klar, dass wir die Bäckerkisten auf den Bühnen nicht nur als Pulte, sondern auch als Projektionsfläche nutzen könnten.
Die diesjährige re:publica ist in Licht getaucht und die Effekte auf der Bühne sind sehr eindrucksvoll. Ich konnte gar nicht aufhören, Fotos zu machen. Alles leuchtet so.
Norman Palm: Im Keyvisual haben wir mit den additiven Grundfarben Rot, Grün und Blau gearbeitet, das war ein sehr dankbares Konzept, um es auf die Bühnentechnik anzuwenden. Beim Überblenden erstehen dann Cyan, Magenta, Gelb und Weiß. Das hat es sehr vereinfacht für uns. Schließlich sind wir nicht Taylor Swift, vor deren Show alles tausendmal ausprobiert wird.
Gleichzeitig wirken die Farben so fluoreszierend.
Norman: Sie haben eine solche Intensität, weil es immer die vollen Farben sind, die projiziert werden. Aus den Grundfarben RGB setzt sich das Farbspektrum bei Computerbildschirmen, Handyscreens und anderen digitalen Geräten zusammen. Das passte natürlich perfekt zu einer Digitalkonferenz.
Nicht nur die Bühne ist in Licht getaucht, es gibt auch diese schöne Lichtinstallation mit der immer jede Menge Leute interagieren und Fotos machen.
Max: Sie basiert auf dem Prinzip der additiven Farbmischung. Rot, Grün und Blau ergeben Weiß. Zu diesem Zweck wurden drei Scheinwerfer auf dem Boden positioniert. Tritt jemand vor die Scheinwerfer, so spaltet sich sein Schatten zu den Primärfarben auch in die Mischfarben Cyan, Magenta und Gelb auf.
Ist Licht das nachhaltigste Material?
Max: Ich weiß gar nicht, wie ich das im Vergleich zu anderen Materialien bewerten soll. Grundsätzlich versuchen wir nichts wegzuwerfen, sondern mieten hinzu, was wir brauchen. Was wir anschaffen, soll nach Gebrauch weiterverwendet werden können. Das heißt, wir verwenden jedes Jahr das bereits Vorhandene, oder erweitern den Bestand.
Und dieses Jahr waren das Scheinwerfer?
Max: Nein, das Licht wurde nicht angeschafft. Aber es wurde mehr Licht gemietet und mehr Zeit investiert, mit der Technik zusammenzuarbeiten.
War es besonders spannend, mit Licht zu arbeiten?
Norman: Auf jeden Fall. Stoffe zu bedrucken und eine Wand auf die Bühne stellen, das haben wir ja schon oft gemacht. Gleichzeitig ist es auch schön, dass wir uns dieses Mal weniger mit den ganzen Brandschutzregeln herumschlagen mussten. Übersetzt man das Keyvisual in Banner oder ähnliches landen wir immer bei Kunststoffen, da es kaum nachhaltige Materialien sind, die die Brandschutzanforderungen erfüllen. Zumindest gibt es das mittlerweile auch zu einem gewissen Prozentteil recycelt. Licht aber haben wir sowieso auf der Bühne und so war es als Material einfach da.
Max: Ich bin gespannt, wenn wir nochmal Resümee ziehen, wie viele Leuchten mehr wir in diesem Jahr gebraucht haben.
Das Licht auf der Bühne strahlt aber nicht nur so ungemein, sondern folgt auch einer Dramaturgie, oder?
Norman: Es sind sogar verschiedene Dramaturgien. Da ist das Opening, das zum Start der Konferenz gezeigt wird und dann täglich wiederholt. Es sind nur drei Minuten. Aber diese nehmen sehr viel unserer Ressourcen in Anspruch, denn für viele Leute ist es ein großer Moment auf der re:publica. Deswegen bitten wir immer darum, dass beim Aufbau keine Fotos gemacht und geteilt werden und das Konferenz-Design nicht schon vorher irgendwo gezeigt wird. Im Idealfall kommt man zur Eröffnung der Konferenz und hat diesen Überraschungsmoment. Wir hören immer wieder wie das Publikum das genießt.
Wie sieht der diesjährige Eröffnungsfilm aus?
Norman: Er ist eine Mischung aus Projektion und Film. Die Filmsequenzen auf drei gesplitteten Leinwänden sind mit einer Lichtshow kombiniert, die Elemente und Bewegungen der Videos aufnimmt und weiterführt.
Max: Gleichzeitig stellt der Film das Konzept vor, wobei jedes Element einzeln präsentiert wird. Er zeigt, wie das Keyvisual als Ausgangspunkt in Licht und Bewegung überführt wird.
Wie sieht das technisch aus?
Norman: Das Video läuft synchron mit einer programmierten Lichtshow.
Auch bei den Talks?
Norman: Jein, einen Teil macht der Lichtoperator live, der von uns für verschiedene Dramaturgien gebrieft wurde. Es gibt ungefähr zehn verschiedene Lichtstimmungen und wir noch einmal drei Scheinwerfen in R, G und B, die bunte Schatten der Speaker auf die Rückwände werfen.
Und wie geht ihr auf den zahlreichen kleinen Bühnen der re:publica mit dem Bühnendesign von Stage1 um?
Norman: An den kleineren Bühnen haben wir natürlich nicht dieselben technischen Möglichkeiten. Wir haben viel weniger Licht und auch viel weniger Menschen, die das bedienen. Wir brechen die Gestaltung dort so herunter, das sie die große Bühne im Wesentlichen zitiert und man trotz eingeschränkter Technik nichts vermisst.
Max: Auch wenn es dort keine Animationen und keine Licht-Bewegung der Scheinwerfer gibt, ist eine vergleichbare Geste auch dort zu sehen. Auch an den kleinsten Bühnen, wo nur ein Screen und drei Bäckerkisten hinpassen.
Begleitet euch die radikale Nachhaltigkeit, die ihr auf der re:publica umsetzt, auch in eurer sonstigen Arbeit?
Max: Auf jeden Fall. Gleichzeitig hat Nachhaltigkeit natürlich sehr viele Facetten. Es ist nicht immer die einzige Lösung, Material zu vermeiden. Auch Arbeitszeit, Aufwand und Umsetzungsfähigkeit eines Projektes muss man mitbedenken.
Norman: Für mich gehört zur Nachhaltigkeit auch die Idee selbst. Denn gute Ideen sind oft auch minimalistisch, bringen das Thema mit wenigen Elementen auf den Punkt. Und damit ist man dann ganz schnell bei einer nachhaltigen Umsetzung und bei wenig Material.
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Bild: Jan Zappner/re:publica
Bild: Jan Michalko/re:publica