Chaos in Style: Wes Andersons phönizischer Meisterstreich

Schönste Handarbeit, echte Kunst an den Wänden und ein Setdesign, in dem venezianische Grandezza auf Midcentury-Chic trifft: »Der phönizische Meisterstreich« von Wes Anderson ist einmal mehr ein ästhetisches Glanzstück. Wen interessieren da ...

May 28, 2025 - 21:30
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Chaos in Style: Wes Andersons phönizischer Meisterstreich

Schönste Handarbeit, echte Kunst an den Wänden und ein Setdesign, in dem venezianische Grandezza auf Midcentury-Chic trifft: »Der phönizische Meisterstreich« von Wes Anderson ist einmal mehr ein ästhetisches Glanzstück. Wen interessieren da schon die Tiefen der Geschichte?

Mia Threapleton als  Liesl in Wes Andersons Der Phönizische Meisterstreich. Credit: Courtesy of TPS Productions/Focus Features

Schon alleine das erste Bild lässt einen vor Glück auf die Kante des Kinosessels rutschen. Da läuft noch der Vorspann über die Bilder.

Doch im Hintergrund sieht man Benicio Del Toro als Zsa-zsa Korda in einer Badewanne liegen. Verwundet von einem Flugabsturz als mal wieder ein Anschlag auf sein Leben verübt wurde.

Gefilmt ist das alles aus der Vogelperspektive. Und während man auf die kunstvolle Fliesen schaut, die extra für die Szene angefertigt wurden, huschen Krankenschwestern hin und her, versorgen ihren Patienten, stellen den Champagner im mit Eiswürfeln gefüllten Bidet kalt, verabreichen ihm Medizin und versorgen seine Wunden.

Kadriert ist das natürlich in der so typischen Wes-Anderson-Zentralperspektive samt starrer Kamera. Dem Blick in der Kunst, der vermeintliche Wahrheit und Objektivität verspricht. Aber jeder seiner Filme ist natürlich genau das Gegenteil.

Benicio Del Toro als Zsa-Zsa Korda in »Der phönizische Meisterstreich«. Credit: Courtesy of TPS Productions/Focus Features © 2025 All Rights Reserved.

Nostalgie und Abenteuer

»Der phönizische Meisterstreich« entführt in das Fantasieland Phoenicia irgendwann in den 1950, 1960er Jahren – und mitten hinein in eine Tragikkomödie, die sich um den zwielichtigen und wissbegierigen Tycoon Zsa-zsa Korda und seine Tochter Liesl (Mia Threapleton) dreht.

Schon alleine dieser Name. Zsa-zsa Korda. Der mit Nostalgie und Abenteuer versehen ist und mit der Geheimnis umwehten Coolness, die ihn selbst umgibt.

Nach zahlreichen Anschlägen auf sein Leben, macht er nicht einer seiner acht Söhne, sondern seine einzige Tochter Liesl zur Alleinerbin. Die sich allerdings entschieden hat, ein Leben als Nonne zu führen. Obwohl sie bald auch merkt, dass es einfach besser schmeckt, ihren Tabak aus einer mit wertvollen Edelsteinen besetzten Pfeife zu rauchen als aus schnödem Holz.

Umgeben von Schuhschachteln, in denen Korda die Ideen für seine verschiedenen, größenwahnsinnigen Businesspläne (Elon Musk lässt grüßen) aufbewahrt, von Doppelagenten und Erpressern umzingelt, aber immer ein Renaissance- oder Insektenbuch unterm Arm, nimmt eine aberwitzige Geschichte seinen Gang.

Wo diese hinführen soll und was deren höheres Ansinnen ist, da verliert man mitunter schon den Überblick auf den verschlungenen Wegen, die unter anderem zu einem Basketball-Wettkampf im Körbewerfen in einem Tunnel führen. Samt Tom Hanks und Bryan Cranston als in die Jahre gekommenes, aber perfekt trainiertem Duo, die Sporthose bis unter die Achseln gezogen.

Benicio Del Toro als Zsa-Zsa Korda (l.), Michael Cera als Bjorn (h.) und Mia Threapleton als Liesl in »Der phönizische Meisterstreich«. Credit: Courtesy of TPS Productions/Focus Features © 2025 All Rights Reserved.

Midcentury trifft italienische Grandezza

Weite Strecken spielt die Geschichte auch im Flugzeug, diesem punktgenau ausgestattetem fliegenden Wohnzimmer mit rotem Teppich, Eichenholz und karierten Vorhängen.

Dann wieder führt der Film in einen venezianischen Palazzo samt schönsten trompe l’oeil Säulen, meisterhaft bemalten Wänden und jeder Menge Kunst darauf.

In einem Interview erzählte Anderson, dass er dem Team hinter der Kamera Animationen der Szenen vorspielt, damit sie Set und Ausstattung bauen können. Einmal mehr stammt diese von Adam Stockhausen, der seit »Darjeeling Limited« 2007 immer wieder mit Wes Anderson zusammenarbeitet und von der Ausstatterin Anna Pinnock.

Wurde der Film zum Großteil in den Babelsberg Studios in Potsdam gedreht, ist im Abspann ist zu lesen, dass in dem Film zahlreiche Kunstwerke zu sehen sind, die aus der Hamburger Kunsthalle geliehen wurden. Originale statt KI-Imitationen! Natürlich! Und das sind die kleinen großen Unterschiede.

Was zählt da schon die Geschichte bei so viel Handarbeit, skurrilem Humor und Interieurs, die mit einem Hauch Orientalik, mit Midcentury Style und italienischer Grandezza versehen sind.

Mia Threapleton als Liesl und Benicio Del Toro als Zsa-Zsa Korda in »Der phönizische Meisterstreich«. Credit: Courtesy of TPS Productions/Focus Features © 2025 All Rights Reserved.

Viel Style, vage Story

Natürlich reimt man sich einiges zusammen. Auch wenn die Kisten mit den geordneten Gedanken und Plänen eine Hommage an Wes Andersons Schwiegervater sind. Der libanesische Geschäftsmann sortierte kurz vor seinem Tod seine Projekte in Schuhschachteln, um sie mit seiner Tochter, mit Andersons Ehefrau, durchzugehen.

Dennoch kann man Anspielungen auf Trumps und Musks Größenwahn ausmachen, wenn man mag und auch ein Plädoyer für Wissen und Wissenschaft. Schließlich ist Zsa-zsa Korda immer mit Büchern unterm Arm und mit Privatlehrer unterwegs. Auch wenn der wunderbare Bjorn (Michael Cera) sich am Ende als etwas ganz anderes entpuppt.

Und überhaupt das Ende. Das dann wiederum zeigt, dass eine Pfeife aus schnödem Holz auch reicht, um glücklich und zufrieden zu sein …

Der phönizische Meisterstreich. Regie: Wes Anderson, mit Benicio Del Tora, Mia Threapelton, Michael Cera, Tom Hanks, Bryan Crangston. USA/Dtl 2025, 101 Min. Ab dem 29. Mai 2025 im Kino