"Fat Mom" Alina Friederichs: "Ich kann fett und glücklich sein"
Alina Friederichs trägt Größe 52/54 und macht sehr unterhaltsamen "Fat Mom Content". Bei Instagram folgen ihr 112.000 Menschen – darunter viele Hater. Die schlimmsten Kommentare macht die 33-Jährige öffentlich und entlarvt damit eine frauenverachtende Gesellschaft, die kaum etwas akzeptiert, das nicht "normschön" ist.

Alina Friederichs trägt Größe 52/54 und macht sehr unterhaltsamen "Fat Mom Content". Bei Instagram folgen ihr 112.000 Menschen – darunter viele Hater. Die schlimmsten Kommentare macht die 33-Jährige öffentlich und entlarvt damit eine frauenverachtende Gesellschaft, die kaum etwas akzeptiert, das nicht "normschön" ist.
BRIGITTE: Alina, du zeigst, wie mit einer Frau im Internet umgegangen wird, die Größe 52/54 trägt. Egal, ob du dich in deinem Familienalltag zeigst oder in Unterhose beim Kaffeetrinken: Die Hasskommentare gehen zum Teil extrem unter die Gürtellinie. Wie hältst du das aus?
Diese Frage bekomme ich oft. Ich halte das aus, weil ich verstanden habe: Der Hass, der mir entgegenschlägt, gehört nicht wirklich mir. Er gehört den Menschen, die mit sich selbst unzufrieden sind. Die wütend sind, traurig, frustriert – und sich ein Ventil suchen. Ich bin dieses Ventil. Deshalb trifft mich ihr Hass oft nicht. Weil ich weiß: Sie hatten einfach einen schlechten Tag. Oder ein schlechtes Leben. Trotzdem will ich sichtbar machen, was Menschen, die ein öffentliches Leben teilen, tagtäglich aushalten müssen. Nicht nur ich als fette Person. Auch schlanke Frauen. Eigentlich: einfach Frauen. Frauen werden im Internet gehasst. Punkt.
Viele feiern dich dafür – weil du den Hatern die Stirn bietest.
Mir wurde geschrieben, ich soll mir einen Strick nehmen. Solche Personen fühlen sich von deiner Andersartigkeit getriggert, lassen ihren Hass raus und fühlen sich danach besser. Alles Weitere interessiert sie nicht. Dabei kann man nie wissen, ob so ein Kommentar bei einer anderen Person das Fass zum Überlaufen bringt ...
Was macht das mit dir?
Man hat mit so viel Selbsthass zu kämpfen, wenn man fett ist. Ständig wird einem eingeredet, dass man schlecht ist, hässlich, eklig. Das verinnerlicht man und denkt es jedes Mal, wenn man in den Spiegel schaut. Aber niemand nimmt von jetzt auf gleich 50 Kilo ab, deshalb muss man diesen Selbsthass loswerden. Meine Botschaft ist: Ich kann fett und glücklich sein, auch wenn ich abnehmen möchte.
Hast du therapeutische Unterstützung?
Nein. Ich war und bin immer sehr allein mit den Gedanken, die man als fette Person hat. Social Media hat mir geholfen, damit umzugehen, als ich merkte, dass es noch mehr Frauen da draußen gibt, die das gleiche Problem haben. Dieser Austausch ist für mich wie Therapie. Was nicht heißen soll, dass es die generelle Therapie ersetzt.
Es lässt mich jedes Mal innerlich zusammen zucken, wenn du dich als "fett" bezeichnest. Machst du das, um den Hatern den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Das hab ich aus einem Film mit Rebel Wilson, in dem sie sich selbst "Fat Amy" nennt – "damit die Skinny Bitches es nicht hinter meinem Rücken tun". Ich meine, es ist offensichtlich: Ich wiege 140 kg. Das ist nicht nur bisschen dick, es ist adipös, stark übergewichtig. Warum nicht einfach "fett" sagen? Fett ist für mich keine Beleidigung, es ist eine Feststellung. Ich weiß, dass das nicht gesund ist. Ich möchte aber, dass wir Fetten mit Respekt behandelt werden. Wir gehen auch arbeiten, haben Geld – und das wollen wir ausgeben.
Deine Gesundheit setzt dir zu?
Ja, klar. Ich habe ständig Rückenschmerzen, die Knie tun weh, ich bin schnell aus der Puste. Darum mache ich Sport und überlege, die Abnehmspritze zu nehmen. Lange war ich zu stolz. Ich wollte es alleine schaffen. Aber mittlerweile habe ich eingesehen, dass ich Hilfe brauche. Ich bin 33, wiege 140 kg und hab gestern Pizza bestellt. Meine "Foodnoise", das ständige Verlangen nach Essen, muss ausgeschaltet werden. Mal gucken, ob ich es mit Ozempic probiere oder es am Ende doch alleine schaffe.
Geht man dafür zur Hausärztin?
Genau, ich habe bald ein Beratungsgespräch. Viele gehen auch zu Onlineärzten, weil sie sich nicht die Blöße bei ihren langjährigen Hausärzt:innen geben wollen. Aus Angst davor, dass es heißt: "Du bist faul, du kannst auch einfach so versuchen abzunehmen."
Was kostet die Abnehmspritze?
Das muss man privat bezahlen. Je nach Dosis kann es 150 Euro bis 300 Euro pro Monat kosten und sobald man damit aufhört, geht der Effekt weg. Ich folge einer Person, die die Spritze abgesetzt hat und erzählt hat, dass ihre "Foodnoise" sofort wieder da war. Davor habe ich Angst.
Was sagt dir deine "Foodnoise"?
Die sagt: Im Kühlschrank ist noch Käse. Das ist noch Schokolade. Da ist noch Brot, das kann ich mit Butter und Käse essen. Dann ist da noch ein Zuckergetränk. Und Eis habe ich auch noch. So geht das permanent! Man hat keine Kontrolle.
Kannst du nachvollziehen, dass Leute enttäuscht waren, als zum Beispiel Lizzo oder Adele plötzlich stark abgenommen hatten, nachdem sie jahrelang für ihre Kurven gefeiert und damit zu Vorbildern in Sachen Body Positivity für viele wurden?
Kann ich verstehen. Mir ging das ein bisschen so, als Adele abgenommen hat. Mir schreiben viele Leute, dass sie sich auf meinem Kanal so wohl fühlen, weil ich so bin wie ich bin. Ich finde es aber nicht schlimm, wenn jemand Ozempic nimmt, weil es dabei oft nicht um Schönheitswahn geht, sondern die Gesundheit. Wichtig ist, nicht so zu tun, als hätte man es nur mit Sport und Ernährungsumstellung geschafft. Natürlich ist es frustrierend, wenn jemand, den man als Vorbild hatte, plötzlich dünn ist. Man denkt automatisch: Wenn sich diese Person verändert, muss ich mich dann jetzt auch ändern? Bin ich doch nicht so gut, wie ich bin?
Eines deiner Videos thematisiert, wie du dich als "Frau mit Größe 52/54" bei einem Shoppingtrip in Paris gefühlt hast. Alles war auf dünne Größen ausgelegt. Generell ein Problem in der Modeindustrie?
Puh, der Trip war anstrengend. Das Rumlaufen ging mir auf den Körper, die Beine taten weh. Wenn man die öffentlichen Verkehrsmittel nutzt, muss man jedes Mal durch so ein Drehkreuz – das war so schmal, selbst für Normalgewichtige. Das hat mich getriggert. Shoppen konnte ich nicht wirklich, höchstens Handtaschen.
Ich mag deinen Style. Wo kaufst du deine Sachen?
Plus Size heißt leider meistens: florale Glitzersachen, wo man denkt: Das trägt nichtmal meine Oma! Vieles ist sackig, verhüllend, wenig auf Figur geschnitten. Ulla Popken hat eine jüngere Brand, Studio Untold, die machen gute Sachen. Meistens kaufe ich online bei Asos, weil ich es zu Hause anprobieren kann und nicht in einer komischen Umkleidekabine stehen muss und frustriert bin, wenn nichts passt.
Warum hat die Modeindustrie immer noch nicht kapiert, dass wir mehr coole Sachen in größeren Größen brauchen?
Weil Fettsein nicht cool ist, sondern ungesund. Brands wollen keine Mode für ungesunde Körper machen. Neulich war ich bei H&M – nichtmal die haben mehr eine Curvy Abteilung in ihren Stores. Ich habe mal mit jemandem gesprochen, deren Brand nur bis Größe XL produziert. Es hieß, man habe nie darüber nachgedacht, größere Sachen zu produzieren, weil derjenige schlank ist und die Sachen auch für sich selbst macht. Irgendwie wird oft vergessen, dass wir Fetten auch Geld verdienen und ausgeben können.
Auf TikTok teilen gerade vermehrt ausgemergelte Frauen unter dem Hashtag Skinny Tok ihre Schlankheits-Tipps. Die Body-Positivity-Bewegung scheint abzuebben. Wie echt war die überhaupt?
Viele Brands springen auf jeden Zug auf, den die kaufkräftige Jugend auf Social Media feiert. Body Positivity ist wieder out. Ich finde es nicht schlimm, wenn man seinen Lifestyle als "Dünne" teilt. Ich mache dasselbe ja auch, zum Beispiel "What I eat in a day". Bisher wurde mir Skinny Tok noch nicht ausgespielt. TikTok wird zu großen Teilen von sehr jungen Menschen genutzt. Ein Trend, bei dem es darum geht, krankhaft schlank zu bleiben, ist definitiv besorgniserregend.
Neue Studien zeigen, dass immer mehr junge Mädchen an Essstörungen erkranken. Erinnerst du dich, wann du zum ersten Mal den Gedanken hattest, dass du nicht gut so bist wie du bist?
Ab Schulbeginn. Im Kindergarten war ich schlank. Ab Klasse eins nahm ich zu. Wieso weiß ich nicht. Dann ging auch das Mobbing los und ich merkte: Okay, irgendwas stimmt nicht mit mir.
Du bist jetzt selbst Mutter. Wie erziehst du deine Kinder, um sie gegen Mobbing zu wappnen?
Meine Söhne sollen lernen, dass sie, egal wie sie aussehen, immer geliebt werden. Die Zahl auf der Waage sagt nichts über ihren Wert als Menschen aus.
Danke für das Gespräch, liebe Alina. Wir feiern dich sehr.