Generation XYZ: Die re:publica25 über Politik, Zusammenhalt – und KI
Die re:publica25 hat begonnen (26.-28.5.). In der Station Berlin, auf 23 Bühnen, mit 650 Sessions und über 1.100 Sprecher:innen – und mit einer Opening Keynote des KI-Experten Björn Ommer, der ein Neudenken im Umgang mit KI fordert. Es war ein ...

Die re:publica25 hat begonnen (26.-28.5.). In der Station Berlin, auf 23 Bühnen, mit 650 Sessions und über 1.100 Sprecher:innen – und mit einer Opening Keynote des KI-Experten Björn Ommer, der ein Neudenken im Umgang mit KI fordert.
Bild: Anne Barth/re:publica
Es war ein guter Auftakt der re:publica25. Die große Arena des Stage1 war bis auf den letzten Platz besetzt und viele saßen auf dem Boden, als Björn Ommer über »Generative KI und die Zukunft der Intelligenz« sprach.
Der 45-jährige Informatiker hat Stable Diffusion mitentwickelt und leitet heute als Professor den Lehrstuhl »Artificial Intelligence for Computer Vision & Digital Humanities« in München.
Längst ist es vorbei, dass man sich gegen KI wehrt, dass ein Publikum trotzig schweigt, wenn es um das Thema geht. Das war zuletzt auf der Adobe Max ebenso zu beobachten wie auf der Config und sogar der Pictoplasma.
Innerhalb kürzester Zeit hat KI sich in alle Lebensbereiche ausgebreitet. Und Ommer hat in seiner Opening Keynote erst einmal einen Abriss gegeben, der alle auf den gleichen Stand brachte – und einen unaufgeregten, aber dennoch kritischen Ton setzte.
Er erklärte, wie KI beim Turning Test, der Mensch und Maschine unterscheidet, mittlerweile immer häufiger als Mensch durchgeht. Wie KI immer lustiger und menschlicher werde – und den eigenen Rechner erstmals wirklich in einen Personal Computer verwandeln würde, den man ganz auf seine persönlichen Bedürfnisse zuschneiden könne. Brauchte man dafür vorher noch einen Programmierer, setze die KI das jetzt mithilfe unserer Befehle um.
Verschiedene KI-Visionen
Er stellt Visionen wie Artificial General Intelligence (AGI) vor, die mithilfe generalisierter Trainingsdaten die menschliche Intelligenz irgendwann angeblich in ihrer Gänze nachahmen könne. Die Artificial Super Intelligence (ASI), die die kognitiven Fähigkeiten des Menschen übersteigen solle, während KI Agenten das gesamte Leben begleiten sollen.
Habe man überraschenderweise einen Abend frei, schlägt es einen Restaurantbesuch vor. Da war man schließlich schon so lange nicht mehr. Und präsentiert auch gleich den besten Weg dorthin. Allerdings hätten die Unternehmen so alle privaten Daten.
Physical AI hingehen schafft präzise Modelle von Wirklichkeit, wie sie für die Robotik, »die gerade durch die Decke geht«, wichtig sind. Oder in der Simulation von Fertigungsprozessen, in der Materialentwicklung und der Wirkstoffentwicklung in der Medizin hin zu personalisierter Medizin. Der Nobelpreis für Chemie im letzten Jahr hatte das honoriert. Demis Hassabis und John M. Jumper bekamen ihn für die von ihnen entwickelte künstliche Intelligenz AlphaFold.
Zwei Denk-Systeme
Technische Entwicklungen hätten bisher immer dazu geführt, kognitive Möglichkeiten des Menschen zu erweitern, betonte Ommer. Vom Feuer über das Schreiben hin zu Computer.
Und er unterschied zwei Systeme des Denkens.
Da sei einerseits das intuitive und instinktive Denken, das 95 Prozent ausmacht. Der Autopilot, der immer aktiv ist, der unaufhörlich hin- und herswitcht und sehr einfach zu manipulierbaren sei – und der besonders auf Negatives, auf Generalisierungen und Stereotypen reagiert. Hat man erst einmal einen negativen Eindruck implementiert, sei es sehr schwer, den wieder zu revidieren, hätten Untersuchungen gezeigt.
Dieses intuitive Denken sei unsere Schwachstelle und genau diese werde im Internet genutzt, um uns zu beeinflussen. Angst sei einfacher zu triggern als Zuversicht, da viele vor denselben Dingen Angst haben.
Diskriminierung sei viel leichter zu verbreiten, als Gemeinsamkeiten zu finden. Denn worüber die Menschen sich entrüsten, sei viel besser auf den Punkt zu bringen und würde sich viel stärker überschneiden als das, was die Menschen verbindet. Denn auch wenn das viel ist, seien die einzelnen Interessen durchaus verschieden.
Hinzu komme, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne in den letzten 15 Jahren um ein Drittel gesunken sei. Ungefähr alle 15 Minuten schauten wir im Wachzustand auf unser Handy.
Doch dann gibt es noch die konzentrierte Aufmerksamkeit. So wie man im Restaurant gespannt den Erzählungen des Gegenübers lauscht und die Umgebung ausblendet. 5 Prozent unseres Denkens macht diese so wertvolle Aufmerksamkeit aus, mit der wir Dinge durchdringen, reflektieren und verlässliche Entscheidungen treffen. Und das besonnen – und langsam.
KI als Wissenswerkzeug
Ommer fordert einen Paradigmenwechsel. Weg von dem Overload hin zu einer wirklichen Intelligenz, die durch limitierte Ressourcen entstehe. KI könnte zum Lenker werden, filtern und die konzentrierte Aufmerksamkeit beschleunigen.
Sie könne den Overload begrenzen, helfen, eigene Wege zu finden und sinnvolle Gedankenketten evozieren. Sie kann Dialoge eröffnen, um zu überzeugen. Wie effektiv das ist, hätten Versuchsreihen bereits gezeigt.
Personalisierte KI erhöhe unsere Aufmerksamkeit, indem sie verfügbares und neues Wissen aufspürt und »sinnvolle« Inhalte herausfiltert, sie erklärt oder zusammenfasst, Argumentationen aufbaut und so auch die eigene kognitive Produktivität erhöht.
Ommer beschrieb KI Trainingsdaten wie Inseln im Pazifik, die Brücken zwischen den einzelnen Inseln schaffen und dazwischen Neuland entstehen lassen. Die Daten in Wissen verwandeln, das personalisiert werden muss.
Weg vom Rauschen, hin zum Inhalt und zu Erkenntnissen – und von der Informations- zur Wissensgesellschaft.
Das alles brauche natürlich die Souveränität des Doorkeepers, Selbstständigkeit und Autonomie! Europa müsse eigene Expert:innen trainieren und hervorbringen, forderte er. »Denn wir wollen das zumindest hier für alle Menschen machen!«
Ommer endete mit einem Zitat von JFK, der 1962 gesagt hatte: »Wir stechen in diese neue See, weil es neue Erkenntnisse zu gewinnen und neue Rechte zu erringen gibt, die für den Fortschritt aller Menschen genutzt werden müssen.«
Die Zustimmung war groß. Auch wenn das alles natürlich auch daran erinnerte, dass wir vieles von dem, was die generative KI jetzt lösen soll, selbst angerichtet haben. Indem Social Media ganz ohne Regulierung zum zügellosen Missbrauch, zur Manipulation und Monopolisierung freigegeben wurden und sich das bis heute nicht geändert hat. Ganz im Gegenteil.
Wie wichtig das ist, was Ommer gefordert hat, allen voran die Souveränität, zeigt dann der letzte Vortrag des Tages auf selber Bühne. Als die Politikwissenschaftlerin, Autorin und Journalistin Natascha Strobl eine eindrückliche Analyse des postmodernen Faschismus ablieferte – Peter Thiel und Elon Musk inklusive.