Little Simz – „Lotus“: Roh, verletzlich, kraftvoll

Mit Lotus legt Little Simz ihr bislang persönlichstes Werk vor. Das sechste Album der britischen Rapperin ist kein triumphaler Neuanfang, sondern eine schonungslose Selbstbetrachtung – roh, verletzlich und emotional intensiv. Es ist das erste Album nach dem Bruch mit ihrem langjährigen Produzenten InFlo, mit dem sie derzeit in einem Rechtsstreit über unbezahlte Honorare steht. Und es klingt genau so: wie... Weiterlesen

Jun 6, 2025 - 14:00
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Little Simz – „Lotus“: Roh, verletzlich, kraftvoll

Little Simz Lotus

Mit Lotus legt Little Simz ihr bislang persönlichstes Werk vor. Das sechste Album der britischen Rapperin ist kein triumphaler Neuanfang, sondern eine schonungslose Selbstbetrachtung – roh, verletzlich und emotional intensiv. Es ist das erste Album nach dem Bruch mit ihrem langjährigen Produzenten InFlo, mit dem sie derzeit in einem Rechtsstreit über unbezahlte Honorare steht. Und es klingt genau so: wie das mühsame Zurückfinden zu sich selbst nach einer kreativen und emotionalen Krise.

Vom Glanz zur Selbstentblößung

Nach der gefeierten Album-Trilogie Grey Area (2019), Sometimes I Might Be Introvert (2021) und No Thank You (2022) hätte man erwarten können, dass Little Simz ihren cineastisch-polierten Sound weiterführt. Stattdessen zieht sie auf Lotus den Vorhang zurück. Die Produktionen sind reduzierter, der Fokus liegt ganz auf ihren Worten – und auf den Narben, die sie offenlegt. Besonders der Track Thief steht exemplarisch dafür: Hier rechnet sie mit einer einflussreichen Person aus ihrer Karriere ab. „That’s what abusers do“, rappt sie mit nie dagewesener Wut – messerscharf, ohne Metaphern.

Little Simz x Lotus – Wut, Trost und Wiederaufbau

In Songs wie Flood oder Young klingt Little Simz zunächst bitter und enttäuscht. Doch die dunklen Töne weichen allmählich einer neuen Kraft. Lion und Enough schlagen einen optimistischeren Ton an. Unterstützt von Obongjayar feiert sie auf Lion ihren Selbstwert: „I’m a young Lauryn Hill“. Enough ist eine kraftvolle Hymne für schwarze Frauen und ein Manifest weiblicher Selbstbehauptung: „I am an electric black girl“. Der Titelsong Lotus, unterstützt von Yussef Dayes und Michael Kiwanuka, ist schließlich der Höhepunkt dieser Transformation – poetisch, bestimmt, klar.

Fehler, die menschlich machen

Trotz aller Stärken ist Lotus kein makelloses Album. Einige Hooks – etwa in Enough – ziehen sich zu lang, die überzeichnete britische Stimme in Young wirkt deplatziert. Auch Blood, ein emotionaler Track über Ruhm und Familie mit Wretch 32 und Cashh, passt nicht ganz in das sonst so intime Klangbild. Dennoch: Diese Brüche tun dem Gesamtwerk keinen Abbruch – sie machen es eher noch menschlicher.

Die leisen Momente berühren am meisten

Die wahre Tiefe von Lotus liegt in seinen stilleren Passagen. Only ist ein jazzig-entspannter Track mit souligen Vocals von Lydia Kitto – sanft, reflektiert, voller Wärme. Noch intensiver ist Lonely, der emotionale Kern des Albums. Simz rappt über Isolation und Selbstfindung: „I was lonely making an album / Till I realised I’m all I needed to get through.“ Ein Moment maximaler Verletzlichkeit – und maximaler Klarheit.

Fazit: Ein mutiger Seelenstriptease

Lotus ist kein Album für den schnellen Konsum. Es verlangt Aufmerksamkeit, Mitgefühl und Offenheit. Doch wer sich darauf einlässt, entdeckt eine Little Simz (Youtube), die sich nicht über Hochglanzproduktionen definiert, sondern über ihre Worte, ihre Emotionen, ihre Menschlichkeit. Sie ist hier nicht nur Rapperin, sondern Erzählerin, Suchende, Überlebende. In Lotus blüht sie nicht spektakulär – sie heilt langsam, Schicht für Schicht. Und genau das macht dieses Album so bedeutsam.

Little Simz – „Lotus“ // Spotify Stream:

Little Simz – „Lotus“ // apple Music Stream: