Betroffene verrät hilfreiche Tipps: Wie man der Angst den Stecker zieht

Nach einem schweren Burn-out schaffte Christina Hillesheim den Ausstieg aus ihrer Angststörung. Ihre wichtigsten Erkenntnisse, wie sie dem Gefühl begegnen kann – langfristig und akut.

Jun 21, 2025 - 22:30
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Betroffene verrät hilfreiche Tipps: Wie man der Angst den Stecker zieht

Nach einem schweren Burn-out schaffte Christina Hillesheim den Ausstieg aus ihrer Angststörung. Ihre wichtigsten Erkenntnisse, wie sie dem Gefühl begegnen kann – langfristig und akut.

Angst hat keinen Ausschalter.

Sie auf Knopfdruck loszuwerden, funktioniert nicht! Viele denken, ich brauche nur diese eine Strategie – und bin gerettet. Das ist ein Trugschluss. Und viel zu verbissen. Auch ich habe zu lange daran festgehalten: Es muss die Lösung geben, mit der ich mich endlich aus meiner Angstspirale herausdenken werde. Aber das verstärkt leider das Problem, auch das Grübeln. Ein wichtiger Schritt ist, die Angst zuzulassen. Nicht sie um jeden Preis loszuwerden. Denn: Was du ablehnst, bleibt bestehen!

Atmen hilft, aber nicht allein.

Viele Angstpatientinnen sagen, dass die üblichen Akut-Techniken nicht helfen. Ich kenne das auch. Trotzdem ist es wichtig, eine Atemtechnik auf Lager zu haben, wenn eine Panikattacke aufzieht. Denn Atmen hilft immer. Oft versucht man es gar nicht richtig. Langfristig geht es natürlich darum, welche Gedanken es sind, die die Angst verursachen. Dazu gehört das Katastrophisieren oder die Neigung, alles auf sich zu beziehen. Man muss üben, diese Denkfehler zu enttarnen, nicht mehr alles durch die "schwarze Brille" zu sehen.

Angst ist erlernt – und verlernbar.

Meistens ist eine Angststörung etwas, was man sich züchtet. Wichtigste Erkenntnis: Übertriebene Ängste sind erlernt. Das kann über Beziehungen zu Menschen passieren, die einen einschüchtern, oder über ein Verhaltensmuster, das man ständig wiederholt, weil man es nicht besser weiß oder z. B. eine Grundängstlichkeit von den Eltern geerbt hat. Doch was man gelernt hat, kann man wieder verlernen. Erkrankte kreisen karussellartig um die Frage: Wie kam es dazu? Warum hab ich das? Aber oft liegen einer Angststörung keine schweren Traumata zugrunde. Entscheidender ist, zu wissen, ich kann mein Gehirn umprogrammieren. Der wichtigste Schritt: Dinge, vor denen man sich fürchtet, trotzdem machen. In winzigen Etappen. Auch wenn es sich schlecht anfühlt. Bis sich das neue Verhalten automatisiert.

Träumen ist erlaubt.

Was würde ich alles tun, wenn ich keine Angst mehr hätte? Diese Frage ist ein Gamechanger. Wenn man unter Angst leidet, ist es fast ausgeschlossen, über sie nachzudenken. Wer sich aber eine Gedankenreise mit starken neuen Bildern erlaubt, lässt eine mächtige Gegenkraft in sein Leben. Denn die Angst macht es ja genau andersherum: Sie entwirft permanent Horrorszenarien. Extrem inspirierend ist es, sich ein Vision Board für eine angstfreie Zukunft zu gestalten, ob digital oder als Collage. All das zu sammeln, was Gutes und Schönes passieren könnte.

Auch wer sich hilflos fühlt, ist es nicht.

Wer in der Angst steckt, denkt: Das passiert mir, es ringt mich nieder. Aber letztlich ist das Selbstmitleid, das nicht weiterhilft. Bei Angst geht es vor allem um Selbstwirksamkeit und darum, aus der Opferrolle herauszukommen. Die wichtigste Erfahrung, wenn man seine Angst überwindet: Wie krass, ich kann sie ja aushalten. Und wer sie aushält, der kann sie am Ende auch loslassen. Das ist das A und O. Es funktioniert aber nur über diese Erfahrung. Wenn ich alles meide, was mir Angst macht, wird sich nichts ändern.

 

Es kommt doch eh, wie es kommt.

Ängste haben sehr viel damit zu tun, dass man annimmt, alles kontrollieren zu können. Man denkt: Wenn ich mir nur genügend Sorgen mache, dann kann ich tatsächlich verhindern, dass in der Zukunft etwas Negatives passiert. Was natürlich völlig irrational ist. Es kommt, wie es kommt. Ohne meine Sorgen, mit meinen Sorgen. Dieser Gedanke hat etwas total Befreiendes.

Will ich oder muss ich?

Angst kann auch ein wichtiger Hinweis meines Körpers sein: bis hierher und nicht weiter! Wenn ich mich in bestimmten Situationen immer wieder überwinden muss, dann kann mir meine Angst auch die entscheidende Botschaft übermitteln: Vielleicht solltest du wirklich erst einmal herausfinden, ob du diese Sache tatsächlich tun musst. Oder ob du es willst. Unsere Ängste hängen oft stark mit den zwei Worten "ich muss" zusammen.

Und im Notfall? Christinas Top 3

  1. Die Gedanken regulieren: Entspricht es der Wahrheit, was ich gerade denke?
  2. Den Körper beruhigen: Atemübung, positive Visualisierung, Spaziergang, Sport
  3. Die Seele ernst nehmen: Habe ich vielleicht Angst, weil ich hier etwas tue, was ich einfach nicht tun möchte?