Wohlstandsporno "Das Reservat" : Warum wir es so lieben, wenn Reiche scheitern!

Bei den Streamingdiensten formiert sich ein neues, extrem erfolgreiches Subgenre: Reiche, die in traumhafter Umgebung ihr Fett weg kriegen. Aktuell zu sehen in der Netflix-Miniserie "Das Reservat". Woher kommt unsere neue Hassliebe für die Superreichen? 

Jun 23, 2025 - 09:30
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Wohlstandsporno "Das Reservat" : Warum wir es so lieben, wenn Reiche scheitern!

Bei den Streamingdiensten formiert sich ein neues, extrem erfolgreiches Subgenre: Reiche, die in traumhafter Umgebung ihr Fett weg kriegen. Aktuell zu sehen in der Netflix-Miniserie "Das Reservat". Woher kommt unsere neue Hassliebe für die Superreichen? 

Es fällt nicht schwer, Kat zu hassen. Die arrogante Oligarchengattin, eine der Hauptfiguren der neuen Netflix-Serie "Das Reservat", kommandiert ihr philippinisches Au-pair herum, feuert rassistische Kommentare ab und denkt eigentlich nur an eins: sich selbst. Doch die scheinbar perfekte Fassade von Kat und ihren reichen Nachbar:innen in einer noblen dänischen Wohngegend, nördlich von Kopenhagen, bröckelt von Folge zu Folge zunehmend und wir können gar nicht anders, als den hyperspannenden "Wohlstandsporno" diebisch grinsend zu bingen.

Die Reichen sind keine Vorbilder (mehr), sondern Witzfiguren

"Das Reservat" stürmte in über 40 Ländern Platz eins der Netflix-Charts, ist damit ähnlich erfolgreich wie "White Lotus", "Succession" oder "Triangle of Sadness" – alles Geschichten über verkorkste Reiche, die in schönster Umgebung ihr Fett wegkriegen – sodass man nie mehr wirklich neidisch auf sie sein muss. 

Die Zeiten haben sich sowieso geändert. Während wir die oberen Zehntausend früher – auch dank glamouröser Serien wie "Dallas" oder "Gossip Girl" – eher für ihre Superyachten, Birkin Bags und Luxusautos bewundert haben, wirkt ihre Dekadenz angesichts multipler Krisen, Kriege und der Rezession heute nur noch peinlich. 

Laut Oxfam-Bericht 2024 besitzt das reichste Prozent der Menschheit mehr als die Hälfte des Weltvermögens. Nie zuvor gab es mehr Dollar-Millionär:innen. Gleichzeitig lebt fast die Hälfte der Menschheit in Armut, das heißt von weniger als 6,85 Dollar am Tag. Ein groteskes Missverhältnis, das uns empfänglich macht für Geschichten, in denen die Mächtigen mal nicht gewinnen.

Abrechnung mit einem kaputten System 

Als Kats philippinisches Au-pair-Mädchen – angestellt, um ihr einziges Kind "zu mögen" – spurlos verschwindet, kennt sie nicht mal seinen Nachnamen. Es interessiert sie auch nicht sonderlich – "wahrscheinlich hat sie erkannt, dass sie als Prostituierte mehr Geld verdienen kann", kommentiert sie. 

"Nur wenige verbinden Dänemark mit solchen 'Oben und Unten'-Haushalten", sagt Serienmacherin Ingeborg Topsøe in einem Interview. "Dänemark gilt oft als sehr egalitäre Gesellschaft, und ich habe solche Haushalte noch nie im Fernsehen gesehen." Damit zielt die Serie quasi bewusst darauf ab, dass man ihre Figuren hasst und ihr Scheitern genießt.

Das Unglück der Reichen aktiviert unser Belohnungssystem

Übrigens nichts, wofür wir uns schämen müssen – es ist vielmehr menschlich. Das belegt eine Studie aus 2019, die in "Psychology Today" veröffentlicht wurde: Darin stimmten 52 Prozent der Amerikaner:innen der Aussage zu, dass die meisten Reichen in den USA durch die Ausnutzung anderer Menschen reich geworden sind.

Obwohl Reichtum häufig mit Erfolg, Einfluss und Macht assoziiert werde, gelte im Allgemeinen: "Je wohlhabender eine Person ist, desto negativer wird sie von anderen bewertet." Eine andere Studie hatte überdies gezeigt, dass beim Beobachten finanzieller Verluste anderer das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert wird – "was darauf hindeutet, dass das Wahrnehmen von Unglück angenehme Reaktionen auslösen kann", heißt es in "Psychology Today". 
Offenbar löst das Scheitern superreicher Menschen in einigen sogar nahezu identische Glücksgefühle in uns aus wie beim Erhalt einer Gehaltserhöhung oder dem Erreichen eines akademischen Titels!

Wir gegen "die"

Was nach Sadismus klingt, ist in Wahrheit eine ganz normale emotionale Reaktion: "Menschen empfinden mehr Schadenfreude gegenüber Personen mit hohem Status – besonders dann, wenn sie diese als unverdient oder moralisch fragwürdig wahrnehmen", heißt es in einer Studie der US-Sozialpsychologinnen Mina Cikara und Susan T. Fiske. "Dieses Gefühl wird nicht unbedingt von Boshaftigkeit angetrieben, sondern oft vom Eindruck, dass Gerechtigkeit oder ein Gleichgewicht wiederhergestellt wird."

Minderwertigkeitsgefühl und Feindseligkeit

Menschen neigen nunmal dazu, sich mit anderen zu vergleichen, um ihre eigenen Erfolge, Status und Selbstwertgefühl zu bewerten. Beim Vergleich mit wohlhabenden Personen fühlen sich viele minderwertig. Die (protzige) Selbstinszenierung vieler Promis in den sozialen Medien verstärkt solche Gefühl nochmal, erzeugt Feindseligkeit und destruktiven Neid, also den Wunsch, dass die beneidete Person das verliert, was sie hat. Damit spielen Serien wie "Das Reservat" – und geben uns am Ende, was wir wollen. 

Sobald ihre Yachten sinken und ihnen der Champagner wieder hochkommt, sobald die vermeintlichen Bilderbuchehen, die nur noch von einem Kitt aus Schlaftabletten und Alkohol zusammengehalten, scheitern, kann sich Ottilie Normal ganz entspannt zurücklehnen und frohlocken: "Siehste, Schatz? Wenn DAS der Preis für so ein Leben ist, dann will ich gar nicht reich sein."