Streitgespräch mit Valentina Maceri : "Ich mag Feminismus nicht, das hat etwas Aggressives"
In ihrem Buch "Fuck Female Empowerment" kritisiert Sportmoderatorin Valentina Maceri den modernen Feminismus und die "Woke-Bubble". Im Interview mit unserer Autorin spricht sie über Themen wie Selbstverantwortung und die Dämonisierung der Männlichkeit. Eine feministische Debatte.

In ihrem Buch "Fuck Female Empowerment" kritisiert Sportmoderatorin Valentina Maceri den modernen Feminismus und die "Woke-Bubble". Im Interview mit unserer Autorin spricht sie über Themen wie Selbstverantwortung und die Dämonisierung der Männlichkeit. Eine feministische Debatte.
BRIGITTE: "Fuck Female Empowerment" heißt dein Buch. Ziemlich provokant. Warum hast du diesen Titel gewählt?
Valentina Maceri: Vieles, was unter dem Deckmantel des Empowerments läuft, ist kontraproduktiv und treibt Gleichberechtigung oder Chancengleichheit nicht wirklich voran, sondern bremst sie aus. Eine befreundete Spiegel-Bestsellerautorin hat mal sowas gesagt wie: "Fucking Female Empowerment". Ich fand das als Titel mega, der Verlag auch.
Was passiert deiner Meinung nach denn unter dem Deckmantel des Female Empowerments?
Es gibt einige Beispiele – nur um eines zu nennen: Der Feminismus der dritten Welle kämpfte lange gegen die Objektifizierung der Frau, damit wir nicht nur auf Körper und Aussehen reduziert werden. Gleichzeitig exponieren wir heute unsere Körper. Auf wahrscheinlich 80 Prozent der weiblichen Profile sehen wir Frauen in Bikinis oder Unterwäsche, die ihren Hintern in die Kamera halten. Frauen verdienen mit OnlyFans Geld und reduzieren sich auf ihre Körper, dann heißt es aber unter dem Hashtag Female Empowerment "Wir Frauen dürfen nicht nur auf unseren Körper reduziert werden". Das kann ja nicht funktionieren.
Dass wir auf 80 Prozent der weiblichen Profile Bikinis sehen, zweifle ich stark an. Und ist es nicht auch eine Form von Selbstbestimmung, wenn eine Frau sagt, sie möchte mit OnlyFans Geld verdienen?
Nur zu einem gewissen Punkt. Über Plattformen wie OnlyFans Geld zu verdienen, wird immer schwieriger, weil der Markt überschwemmt ist. Man ist vom männlichen Kunden abhängig, der bezahlt. Das heißt, man muss seinen Wünschen und Forderungen bis zu einem Punkt nachgeben, wenn man Geld verdienen will. Vielleicht fängt man mit einem Unterwäschebild an, das reicht nicht mehr, dann folgen Nacktbilder und so weiter. Insofern frage ich mich: Wo ist da die Selbstbestimmung, wenn Frauen ihre Körper verkaufen und von Männern abhängig sind?
Du kritisierst den "modernen Feminismus" und die "Woke-Bubble" scharf. Wofür genau?
Der moderne Feminismus hat für mich etwas Aggressives, Radikales. Mitte der 2020er-Jahre, 100 Jahre nach Beginn der Bewegung, müssen wir aufhören, ständig vom ominösen Patriarchat zu reden. In dieser Form gibt es das 2025 in Deutschland nicht mehr. Jede Frau muss Selbstverantwortung übernehmen. Ich bekomme dann oft zu hören: "Jetzt sind es wieder wir Frauen, die...". Aber darum geht es nicht. Es geht darum, uns unserer Stärke bewusst zu sein. Reden wir uns ein, schwächer zu sein, glauben wir das und verhalten uns so.
Da muss ich dir widersprechen. Wir leben auch heutzutage noch in einem Patriarchat. Um es in den Worten der Politikwissenschaftlerin Emilia Roig zu sagen: "Wir sind keine egalitäre Gesellschaft, solange alle Sphären der Macht von Männern besetzt sind – Politik, Finanzen, Wirtschaft, Kunst."
Und auch in Deutschland gibt es gewaltvolle Strukturen, wie man angesichts der steigenden Femizid-Zahlen erkennen kann. Fast jeden Tag wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet.
Sexuelle Gewalt und Straftaten darf man nicht in eine Schublade mit Hashtag-Aktivismus und Quotenforderungen oder Feminismus für Chancengleichheit packen. Sexuelle Straftaten sind kriminelle Verbrechen. Sie werden größtenteils von Männern ausgeführt, aber nicht nur gegen Frauen, auch gegen Männer. Das wird oft vergessen.
Das kannst du so nicht relativieren. Der Begriff Femizid bezeichnet die gezielte Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts, andersherum gibt es das nicht. Laut Daten des Bundeskriminalamts (BKA) sind nur etwa 10 bis 20 Prozent der Opfer von Mord und Totschlag durch Partnerschaftsgewalt Männer, während über 80 Prozent Frauen sind.
Wie gesagt, wir dürfen solche Gewaltverbrechen nicht in die Schublade mit dem Hashtag Female Empowerment, Chancengleichheit oder gleicher Bezahlung packen. Heute in Deutschland kann doch jede Frau, die studieren will, studieren. Jede Frau, die ein eigenes Bankkonto haben will, kann ein eigenes Bankkonto haben. Jede Frau, die Karriere machen will, kann Karriere machen.
Gesetzlich sind wir nahezu gleichgestellt, das stimmt. In der Praxis ist Luft nach oben. Es gibt immer noch einen Gender-Pay-Gap von 6 Prozent … und mehr Thomasse in Vorständen als Frauen.
Wenn wir bedenken, wo das Standing von Frauen im Business noch vor wenigen Jahren war, finde ich 6 Prozent eine minimale Zahl. Außerdem: Beim Gender-Pay-Gap heißt es oft: Frauen verdienen 6 Prozent weniger. Aber woher kommt das? Eine weibliche CEO bestätigte mir für mein Buch, dass wir Frauen – und deswegen müssen wir bei der Erziehung ansetzen – grundsätzlich schlechter verhandeln. Wir wurden erzogen, nicht zu fordernd zu sein, uns anzupassen, Etikette zu wahren. Das ist doch das Problem. Dementsprechend haben wir nicht gelernt, in Verhandlungen für uns einzustehen. Männer überschätzen sich eher und bekommen deshalb oft, was sie wollen.
Plus: Frauen wählen generell eher Berufe, die schlechter bezahlt sind. Künstlerische, kreative, erzieherische Berufe haben höheren weiblichen Anteil, sind aber häufig schlechter bezahlt als IT, Wissenschaft, Wirtschaft. Diese Aspekte müssen differenziert betrachtet werden, das fehlt aber oft in der Debatte.
Naja, aber was ist hier Henne, was Ei? Wählen Frauen diese Berufe, weil sie schlecht bezahlt sind, oder werden sie schlecht bezahlt, weil es typische "Frauenberufe" sind?
Schwierig zu sagen. Auch ich bekam als junges Mädchen einen Stempel aufgedrückt. Die Leidenschaft für Fußball konnte man mir trotzdem nicht nehmen. Ich habe mich durchgesetzt, obwohl meine Eltern nicht begeistert waren. Deswegen glaube ich so sehr an Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein. Es lohnt sich IMMER, für sich selbst einzustehen.
Die ganze Welt von heute auf morgen umzukrempeln ist unmöglich. Es ist einfacher, bei sich selbst anzufangen. Jede Frau mit gesundem Selbstbewusstsein und die selbstbestimmt lebt, ist ein gutes Beispiele – das klappt auch ganz ohne Männerhass. Früher gab es kaum Mädchen, die Fußball spielten. Dann wurde es normaler, als es viele, tolle Beispiele gab. So schaffen wir Umdenken, nicht, indem wir versuchen, Hass zu schüren, Menschen zu canceln und damit die Gesellschaft zu spalten.
Ich freue mich, dass du es geschafft hast, sich im Fußball zu behaupten. Dennoch müssen wir anerkennen, dass viele Frauen im beruflichen Werdegang an eine gläserne Decke stoßen, während ihre männlichen Kollegen einfach weiter aufsteigen – und das eben nicht aufgrund mangelnder Qualifikation, sondern einfach "weil sie ja in den nächsten Jahren schwanger werden könnten". Deswegen sind Maßnahmen wie die Frauenquote so wichtig. Wie siehst du das?
Du hast nicht unrecht. Trotzdem glaube ich, dass die Quote uns Frauen nicht zugute kommt, weil wir explizit hervorheben, eine Sonderbehandlung zu brauchen. Das hat auf Dauer keinen nachhaltigen Effekt. Wir Frauen sollten es aus eigener Kraft schaffen und uns den Erfolg erarbeiten. Auch wenn man im Job gut ist, schwingt oft ein "Sie ist nur wegen der Quote da" mit. Wenn man mit dem Stempel der Quote die Position nicht erfüllen kann, heißt es wieder "Seht ihr, die Frauen und die Quote, das kann nicht gut gehen".
Quoten schaffen diversere Führungsteams, die nachweislich erfolgreicher sind. Wenn nur Männer in der Chefetage sitzen, holen sie eher Männer nach. So wird sich nie etwas ändern.
Wenn ich in einer Führungsposition wäre und jemanden aussuchen müsste, würde ich wahrscheinlich tendenziell auch zuerst an eine Frau denken. Zumal es bisher so war, dass sich nicht viel weibliche, qualifizierte Auswahl aufgetan hatte.
Siehst du.
Was mir nicht gefällt: Es gibt neuen gesellschaftlichen Druck, der Frauen fast zwingt, Karriere zu machen. Viele sind daran gar nicht interessiert, sind gerne Mama, nehmen sich für die Familie zurück. Es schwingt fast ein fader Beigeschmack mit, diese Frauen seien zu schwach für Karriere. Zudem liegen nicht immer unzählige hoch dotierte Bewerbungen von Frauen vor. Wenn zwei Bewerber qualitativ gleich sind, eine Frau und ein Mann, würde ich auch sagen: Nimm die Frau, um ein Zeichen zu setzen. Sie wird es genauso gut machen, vielleicht sogar besser.
© PR
Du wirfst Feministinnen Männerhass vor. Wie kommst du darauf?
Dazu reicht es schon, TikTok oder Instagram zu öffnen und den Hashtag Feminismus einzugeben. Da überschwemmen dich doch direkt Aussagen von Frauen, die Feminismus propagieren, aber eigentlich nur Männer hassen. So etwas wie "Alle Männer sind toxisch", "Lasst euch nicht darauf ein", "Wir Frauen brauchen keinen Mann".
In der Medienbranche gibt es weitere Beispiele. Männer, die nichts mehr sagen können, weil alles auf die Goldwaage gelegt, und sofort gecancelt wird. Jörg Dahlmann verlor seinen Job wegen eines angeblich sexistischen Spruchs, den die Betroffene nicht mal schlimm fand. Auch auf Thomas Gottschalk wird immer wieder herumgehackt. Der Mann war der erfolgreichste Showmaster Deutschlands, der denkt sich doch, "60 Jahre lang habe ich das alles so gemacht, keinen interessierte es, ihr könnt mich mal". Diese Dämonisierung der Männlichkeit ist eine große Problematik in der feministischen Debatte.
Ich verstehe, was du meinst: Ein Thomas Gottschalk wird sich mit seinen 70 Jahren nicht mehr ändern. Aber sollten wir deswegen sexistische Sprüche und übergriffiges Anfassen einfach hinnehmen?
Nein. Shirin David hat ja bei "Wetten das?" damals genau richtig reagiert. Auf die Unterstellung, sie sehe nicht aus wie eine Feministin, hat sie Gottschalk gefragt, wie denn seiner Meinung nach eine Feministin aussehen müsse. So kann man konfrontieren und ein Umdenken auslösen. Nicht, indem ganz Deutschland auf Thomas Gottschalk einredet und ihn kritisiert.
Toxische Maskulinität beschreibt auch die Idee, dass Männer so sozialisiert wurden, immerzu stark sein zu müssen, und nicht über Gefühle sprechen zu dürfen.
Diese Grundidee der Überwindung toxischer Männlichkeit kommt beiden Seiten zugute. Nur wurde der Begriff aktuell zu inflationär benutzt und pauschalisiert. Zu viel wird in diesen Topf geworfen, das nicht reingehört. Und wenn wir so weitermachen und sich die Fronten weiter verhärten, dann ...
Explodiert es?
Genau. Warum entstand Feminismus? Als eine Rebellion, weil Frauen unterdrückt wurden. Wenn wir diese radikale feministische Blase weiter aufblasen, werden sich wieder Gruppen unterdrückt fühlen. Und was passiert dann? Eine neue Rebellion wird starten, die uns in der Epoche nach hinten katapultiert.